Für ambitionierte Gastgeber hat einer zum Glück aller das Free-from-Konzept erfunden. Hier wird nichts mehr kombiniert, sondern alles Mögliche weggelassen, ähnlich wie beim Less-is-more-Prinzip, aber anders. Eine Konzentration auf ein Speisenangebot, das sich auf eine ausgewählte Genusszielgruppe hin orientiert. Eigentlich ein netter Gedanke. Gehört mit zum Marketingbasiswissen, will man sich als Wirt erfolgreich in die Herzen und Mägen der Gäste kochen.
Es ist eine Trennung, die verbindet. Die Realisierung der Idee zur Abgrenzung vom alles vertilgenden Pöbel zum spezialisierten Esser.
Vegetarisch und vegan als kulinarische Exklusivrichtung gibt es schon. Die länderspezifischen Restaurants Marke Rhodos, Lucky China, Piccolo Mondo auch, das zählt alles nicht zum Free-from-System. Mischt man als fortschrittlicher Gastgeber jedoch die durch Social Media entfachten Wünsche mit angeborenen oder anerzogenen Unverträglichkeiten und würzt das kreativ und hurtig mit Lage, Einrichtung und Potenzial der Location, ergibt das eine speziell-spezielle Schnittmenge an möglicher Ausrichtung mit Zielgruppe. So kommt es dann, dass sich im neuen In-Viertel ein milchproduktefreier Coffeeshop auftut, in dem die Laktoseintoleranz täglich symptomfrei zelebriert werden kann. Alles, außer Kuhmilch.
Das ist eine wunderbare Entwicklung. Hier kennt sich jeder aus, man trifft sich künftig nur unter seinesgleichen und kann die Speisekarte bedenkenlos rauf und runter essen. Konkrete Bestellungen eines Tomatensalates ohne Tomaten, dafür mit Paprika aber ohne Zwiebel und einer Unsicherheit bei der Entscheidung ob Haus-, French oder Joghurt-Dressing, die publikumswirksam alles und jeden zermürben, wird es künftig nicht mehr geben, sobald sich alle auf das getrennte Konzept eingeschworen haben.
Man muss dieser Sache Zeit geben. Sie kennen sicher Gastgeber, die sich um eine Free-from-Ausrichtung bemühen, jedoch noch nicht ganz fertig sind mit der Umstellung. Oder sich mit einer Einsortierung feilgebotener Speisen in eine der ganzen Trendrubriken überhaupt schwertun.
Der eine, bei dem auf der Vegetarisch-Seite in der Speisekarte ganz kreativ Foie gras und die Grammelknödel aufgelistet sind und bei Vital eine Käsespätzlewumme, die Ihnen das Wasser in die Augen treibt.
Oder der andere, der auf der ersten Seite lang und breit von saisonal-regionaler Schmankerlküche schreibt und beim Fisch können Sie sich dann zwischen Pangasius und Victoriabarsch entscheiden. Die Experimentierer toppen das gern noch mit frischem Surimi auf der Tageskarte und wollen Ihnen den erst zerbröselten, dann fesch in Form gepressten und mit feinem Hühnereiweiß verrührten Fischabfall als gesundes Fit-Menü des Monats anpreisen. Seien Sie wachsam, wenn Ihnen obendrein die Chefin was von Omega 3 erzählt und dann den panierten Seelachs mit dem hausgemachten Kartoffel-Gurkensalat empfiehlt, bei dem sogar die Erdäpfel aus einer integrierten Landwirtschaft stammen würden. Integriert in was? Das reißt es dann auch nimmer raus.
Sehr überzeugend ist so manche Hotelküche. Urlaubsetablissements, die mit Yoga, Slowfood und einem Touch selbstgefälliger Achtsamkeit für nachhaltigen Lifestyle werben, und zum Verwöhnpension-Menü im großzügig kalkulierten All-you-can-eat-Überfluss serviert man Ihnen ein extradickes Thunfischsteak. Besonders gewitzte Küchenchefs haben kein Problem damit, ihre saisonal-regionale Gerichteauswahl mit Brathering oder sauren Matjes zu formulieren. Das wäre an dieser Stelle nicht erwähnt, befände sich besagtes Hotelrestaurant auf Sylt oder in nördlicheren Küstengegenden, nicht aber im Bayerischen Wald. Curry und Jasminreis, Avocado und Mango, Zitronengras und Noriblätter – auch alles typische Waldschmankerl. Andererseits können Sie froh sein, wenn Sie kein heimisches Wildschwein – zwar regional, aber mit maximaler Tschernobyl-Strahlendosis – essen müssen.
Das volle Programm gäbs im Buch BRUTAL REGIONAL!