Ich erinnere mich an einen gewissen Fiffy. Das war ein prächtiger Goldfasan, den meine Oma im Backrohr ausgebrütet hat. Da gabs vorübergehend weder Kuchen noch Strudel. Aus dem kleinen, einsamen Ei ist der Fiffy in der Küche geschlüpft, seine Kinderstube war das Wohnzimmer. Der war irgendwie mehr wie eine Katze als wie ein Wildvogel. So zutraulich war der. Gekuschelt hat er und ist beim Opa auf der Schulter gesessen, derweil der Fernseher gelaufen ist. Bei Nils Holgerson war er am entspanntesten, das war scheinbar seine Lieblingsserie. In der Pubertät hat der Fiffy öfter die Oma angebalzt und sich ganz schön aufgeplustert. Einen Wachhund haben wir auch nicht gebraucht. Das war die Zeit, in der ziemlich viel Gschwerl in unserer Gegend unterwegs war. Es ist viel eingebrochen und gestohlen worden und jeden Tag hat ein anderer Hausierer geläutet – die waren sehr aufdringlich und schnell aggressiv – und wollte irgendwas verkaufen, das keiner gebraucht hat. Kaputte Mausefallen, alte Bürsten, Ledergürteln und lauter so Tand. Die Leut‘ haben sich vor denen gefürchtet, das weiß ich noch.
Als die aber gesehen haben, dass bei uns ein Goldfasan im Haus wohnt, war ihnen das zu mysteriös. Dem einen ist der Reis derart gegangen, der hat sich vor der Haustür sogar bekreuzigt, irgendwas gemurmelt und ist abgehauen. Das hat sich schnell herumgesprochen, weil von da an nie mehr ein fliegender Händler vorbeigeschaut hat bei uns.
Der treueste Gefährte vom Opa war der Jakob. Eine Dohle. Die hatte der Opa als halbverhungertes Jungtier gefunden, aufgehoben und in seinem Hut heimgetragen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Jakob wurde gepflegt und betreut, mit den besten Würmern und Insekten gefüttert. Die Oma hat ihm sogar immer extra süße Beeren und überhaupt Obst hergerichtet. Mit dem Jakob hat er noch mehr geredet als mit der Wutzi-Ente. Das ging dann so weit, dass der Jakob den Opa nachgemacht hat. Ernsthaft. Der konnte bald seinen eigenen Namen nachsprechen! Im Laufe der Jahre kamen neue Wörter dazu und der Jakob wurde schnell zu einer kleinen lokalen Berühmtheit. Der Jakob ist dem Opa nicht mehr von der Seite gewichen. Bis ins hohe Alter von knapp 19 Jahren ist er dageblieben.
Dass ich in diesem Umfeld aufwachsen durfte, ist für mich das größte Glück. Wenn mich damals wer gefragt hat, was ich mal werden möchte, war meine Antwort: Kleintierzüchterin. Nie was anderes. Und das wär ich bestimmt auch geworden, wenn mich mein Papa nicht nach München geschickt hätte, damit ich was Gescheites lerne. So richtig überzeugt war ich davon nicht, weil der Opa immer gesagt hat: "Nach Minga fahrt ma zum Stinga. Oder zum Frisör".
Und das wollte ich natürlich auf gar keinen Fall.